28.05.2023

Post-Covid - alles wieder gut?

Ein Artikel geschrieben von Prof. Dr. med. Andrea Caby, Leitende Ärztin im Sozialpädiatrischen Zentrum am Marien Hospital Papenburg Aschendorf

Nach der Pandemie - wie geht es weiter? Was haben wir gelernt? Wie geht es insbesondere den Kindern und Jugendlichen?

Der Blick auf gesundheitliches Wohlbefinden richtet sich heute nicht mehr alleine auf körperliche Aspekte. Die seelische (psychische) Gesundheit rückt mehr in den Fokus. Kinder und Jugendliche waren von Beginn der Pandemie nicht die Zielgruppe, die es primär zu schützen galt. Im Gegenteil - wurden sie doch im Hinblick auf Besuche bei den Großeltern als möglicherweise besonders hohes Ansteckungsrisiko gewertet und von diesen oft so wichtigen Bezugspersonen ferngehalten. Gleichermaßen war für alle das Schließen von Freizeiteinrichtungen eine Katastrophe. Keine Sportangebote, keine Hobbies, die im gewohnten Rahmen erfolgen konnten. Entsprechend fanden viele Aktivitäten lange gar nicht statt, die für viele Heranwachsende ein wesentlicher Baustein in der Kindheit darstellen. Den Jugendlichen fehlten insbesondere Kontakte zu Gleichaltrigen.

Bis auf das Thema Adipositas hat die junge Generation die akuten und chronischen Folgen einer Infektion mit dem Coronavirus körperlich gut überstanden. Es gab in dieser Altersgruppe kaum Todesfälle meist sehr milde Verläufe und es finden sich nur wenige an Long COVID erkrankte junge Menschen. Die Datenlage ist jedoch noch unbefriedigend, dafür müssten zunächst wesentlich mehr Kinder in Studien zu Spätfolgen eingeschlossen werden. Bewegungsmangel und ein Wegfall gewohnter Tagesstrukturen haben wohl zum größten Teil zu einer durchschnittlichen Gewichtszunahme geführt. Dies war auch bei Erwachsenen zu beobachten.

Viel dramatischer sieht es bei den psychischen und Entwicklungsstörungen aus, denn schon während der Pandemie zeigte sich ein deutlicher Anstieg, insbesondere bei Ängsten, Zwängen oder Essstörungen. Ärztinnen und Ärzte sowie Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen erlebten die Nebenwirkungen der Corona-Maßnahmen als besonders starke Belastung für psychisch Erkrankte. Vor allem bei depressiven Störungen wurde in allen Altersgruppen während der Pandemie eine deutliche Verschlechterung im Krankheitsverlauf bemerkt. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bezeichnet diese Folgen als die „stille Katastrophe“.

Und die Nachfrage nach Behandlungsplätzen bei kinder- und jugendpsychiatrischen/ psychotherapeutischen Praxen ist weiterhin hoch. Neben der Schule waren auch Kitas über längere Zeiträume geschlossen oder nur eingeschränkt verfügbar. Der Wegfall von Sportangeboten oder kaum Treffen mit Freunden oder Freunden – genauso wie ausgefallene Förderstunden oder Therapiemaßnahmen – lassen hier verschiedene Zusammenhänge mit einer Zunahme an Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten vermuten. Erst weitere Studien werden in den nächsten Jahren dazu genauere Daten liefern können. Doch schon jetzt gibt es ernstzunehmende Hinweise, das noch nicht alles wieder rund läuft. Einige Kinder und Jugendliche finden nicht wieder in ihre Freizeitaktivitäten zurück, an denen sie vor der Pandemie teilgenommen haben. Ihre Eltern beschreiben sie als lustlos, zurückgezogen oder völlig demotiviert.

Was haben wir gelernt? Kinder und Jugendliche sind nicht nur eine Altersgruppe mit besonderer Widerstandsfähigkeit, der so genannten Resilienz, sondern auch einer Vulnerabilität, d.h. verletzliche. Genauso wie andere Risikogruppen gilt es hier zukünftig präventiv zu denken und passende Maßnahmen zu planen. Diese müssen den Bildungsbereich genauso wie das Thema Gesundheit mit einbeziehen.

Die Bundesregierung will die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nach der Corona-Pandemie stärken. Nach Aussage von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) „haben die Kinder die meisten Opfer erbracht“. Konkret wurden zunächst Verbesserungen in der kinderärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung benannt, außerdem weitere Investitionen im Bereich der Frühen Hilfen, in den Kitas oder in die Ganztagsbetreuung an Grundschulen. Allen Beteiligten sei jedoch bewusst, dass die bisherigen Ansätze noch unzureichend seien. Einige Bundesländer haben für Kinder und Jugendliche mit coronabedingten psychischen Folgen spezifische Gruppenangebote verlängert. Gemeinsam sollen die Erfahrungen der Pandemie durch Gespräche und Übungen spielerisch verarbeitet und so die seelische Gesundheit wieder gestärkt werden. Die Nachfrage für solche Hilfsangebote ist groß, vielerorts gibt es lange Wartelisten.

Auch in den Sozialpädiatrischen Zentren in Deutschland – genauso wie in den kinder- und jugendpsychiatrischen Institutsambulanzen bzw. -praxen – zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Die Wartelisten werden immer länger oder sind bereits geschlossen worden. Das Wort „Aufnahmestopp“ ist für viele Eltern zu einem Schreckgespenst geworden und die Verzweiflung groß.

Die gute Nachricht lautet: Nicht alle Kinder und Jugendliche werden einen längeren oder intensiveren Therapiebedarf haben. Viele Betroffene finden in einem stabilen Alltagsrahmen mit Bezugspersonen und Strukturen wieder ins 'normale Leben´ zurück. Die anderen gilt es zu unterstützen und zu stabilisieren, und vor allem nicht aus den Augen zu verlieren. Pädagogische oder medizinisch-therapeutische Berufsgruppen sind hier genauso gefragt wie ehrenamtlich Tätige im Freizeitbereich. Aufmerksam werden sollten alle bei einem Rückzug ins eigene Zimmer oder Bett, vermehrtes Grübeln, kaum Kontakte zu Gleichaltrigen und/oder Interesse an Sport-/Freizeit-aktivitäten. Und genau hier kann stärkend angesetzt werden. Die genannten Aspekte sollten ein Maß für gesundheitliches Wohlbefinden für uns alle sein.

Frau Prof. Dr. med. Caby, Andrea

Prof. Dr. med. Andrea Caby

Leitende Ärztin

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Professorin für Sozialpädiatrie/Sozialmedizin
Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde
Schwerpunkt Psychotherapie


 

 

 
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