21.01.2021

Beatmungstherapie auf der Intensivstation - Mehr Nutzen oder Schaden?

Ein Artikel von Dr. med. Ludger Kämmerling, Chefarzt der Anästhesie im Marien Hospital Papenburg Aschendorf

In der aktuellen Pandemie sind viele Menschen verunsichert, was im Rahmen der intensivmedizinischen Therapie passiert. Auch die medizinischen Fachgesellschaften waren sich im Frühjahr nicht einig, wie die optimale Therapie der Atembeschwerden, hervorgerufen durch das damals noch unbekannte Virus, aussieht. In den weitaus meisten Fällen verläuft die Covid 19-Infektion moderat bis mild – circa 80 Prozent der Patienten bemerken diese sogar nicht. Trotzdem betrifft es nicht wenige Patienten, die eine schwere Atemnot entwickeln und stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen. Meist reicht auch bei diesen Patienten eine Gabe von Flüssigkeit über einen Venenzugang und eine Sauerstoffgabe aus. Intensivmedizinisch zu behandeln, sind etwa fünf bis zehn Prozent der Patienten - vornehmlich abhängig von den Vorerkrankungen und vom Lebensalter. Auffällig, und zum jetzigen Zeitpunkt medizinisch nicht zu erklären, ist die Tatsache, dass auch völlig gesunde, junge Patienten hochdramatische Verläufe erleben, die letztlich, trotz aller Hightech-Medizin, die uns in Deutschland zur Verfügung steht, an der generalisierten Infektion des gesamten Körpers versterben.

Unsere Lunge hat die Aufgabe, den bei der Einatmung aufgenommenen Sauerstoff über die Lungenbläschen in das Blut zu bringen. Bei der Ausatmung wird das Gas Kohlendioxid, welches bei der „Verbrennung“ von Sauerstoff in den Körperzellen entsteht, im Gegenzug vom Blut in die Lungenbläschen transferiert. Eine Lungenentzündung, verursacht durch Viren oder Bakterien, führt zur netzartigen Ausbildung von Entzündungsgewebe um die Lungenbläschen herum, so dass der Gasaustausch zuerst behindert, im Endstadium der Entzündung unmöglich gemacht wird. Die eigentlich extrem dehnbare, weiche Lunge ist dann völlig steif und lederartig, teilweise wie „Beton“. Ein Gasaustausch ist dann nur noch mit den verbleibenden, gesunden Lungenanteilen möglich, in der Klinik sind dies die Patienten mit höchster Luftnot. Die in dieser Situation, in vielen Fällen, unumgängliche maschinelle Beatmung stabilisiert zunächst die Situation, um der Lunge Zeit zum Ausheilen zu geben. Geschieht dies nicht und die ursprünglich gesunden Lungenanteile entzünden sich ebenfalls, führt dies zu lebensbedrohlichem Sauerstoffmangel und einer Ansammlung von Kohlendioxid im Blut und den Organen. Eine maschinelle Beatmung, oftmals in Bauchlage, erfolgt immer mit einem Überdruck, der auf Dauer und durch den notwendigen sehr hohen Überdruck bei vielen Patienten zu zusätzlichen Lungenverletzungen führt. Das durch das Virus und dessen hervorgerufener Entzündung bestehende Lungenversagen wird dann noch durch die Beatmungsschäden verstärkt.

Grundsätzlich kann man zwei Beatmungsformen unterscheiden: Die nichtinvasive und invasive Beatmung. Bei der nichtinvasiven Beatmung können zwei Formen eingesetzt werden: Die aktive Beatmung über eine dicht sitzende Gesichtsmaske, die Mund und Nase bedeckt, oder eine Nasenbrille, über die mit einem hohen Sauerstofffluss (bis zu 60 Liter/Minute) der Nasen/Rachenraum und Teile der Luftröhre mit einem definierten Luft-Sauerstoffgemisch „gespült“ werden. Voraussetzung für diese eher angenehme Atemhilfe, ist die noch gut vorhandene Atemmechanik des Patienten. Falls die Atmung sich hierunter verschlechtert, wechselt man auf die nichtinvasive Beatmung über die Gesichtsmaske. Hierbei erkennt das Beatmungsgerät jede Atembemühung des Patienten und drückt mit leichtem Überdruck das Luft-Sauerstoffgemisch in die Atemwege.

Versagt jedoch auch diese Atemhilfe, muss der Patient invasiv beatmet werden. Dabei wird in tiefer Narkose ein Beatmungsschlauch durch Mund und Rachen in die Luftröhre des Patienten platziert (Intubation). Verbessert sich der Gesundheitszustand nach einigen Tagen nicht, wird dieser Schlauch mittels Luftröhrenschnitt durch einen kürzeren Schlauch ersetzt. Dieses Vorgehen hat den wesentlichen Vorteil, dass eine Narkose nicht mehr notwendig ist und es dadurch sehr viel angenehmer für den Pateinten wird. In diesem Zuge ist auch das Abtrainieren vom Beatmungsgerät möglich, sofern die Lungenfunktion sich von der Infektion erholt hat. Ist der Patient nicht mehr vom Beatmungsgerät abhängig, kann die Kanüle einfach herausgezogen werden und das kleine Loch in der Luftröhre heilt von alleine zu.

Kommt es darunter zu einem Lungenversagen, d.h. es ist kein ausreichender Gausautausch trotz Beatmung mehr vorhanden, bleibt als letzte Therapiemöglichkeit ein künstliches Lungenersatzverfahren (ECMO). Hierbei wird die Lunge durch eine außerhalb des Körpers liegende Membran ersetzt, in der der Gasaustausch stattfindet. Über zwei Kanülen wird aus zwei großen Körpervenen (in der Leiste oder seitlich am Hals) Blut entnommen und über eine externe Pumpe über die Membran gepresst. Nach erfolgtem Gasaustausch in der Membran (wie ein poröser Schwamm) wird das Blut wieder in den Körper geleitet. Die Lunge wird während dieser Zeit nicht mehr mit hohem Druck beatmet, sondern nur noch leicht aufgedehnt, damit sie sich erholen kann. Leider sind die Behandlungsergebnisse dieses Verfahrens ernüchternd, vermutlich dadurch bedingt, dass die Patienten sich meist in einem sehr schlechten Zustand befinden, wenn die ECMO-Behandlung beginnt. Die Entzündung der Lunge wird durch diese Verfahren nicht beeinflusst.

Durch die vielfältigen, und für den Laien kaum verständlichen, Diskussionsbeiträge in den letzten Monaten wurden viele Menschen verunsichert. Bringt die Beatmung mehr Schaden oder Nutzen, soll ich mich in meinem weit fortgeschrittenen Lebensalter noch beatmen lassen? Diese Unsicherheit ist täglich zu spüren, vor allem wenn es um Patienten mit schweren Vorerkrankungen im hohen Lebensalter geht. Meist ist im Notfall keine Patientenverfügung vorhanden oder diese ist so allgemein gehalten, dass sie keine Entscheidungshilfe im Notfall darstellt. Für diese Situationen sollte im familiären Umfeld Vorsorge getroffen werden, indem man offen über alles spricht. Für das Pflege- und Ärzteteam der Notfallaufnahme und der Intensivstation macht dies die Behandlung leichter und verhindert unnötiges Leiden durch eine eigentlich nicht gewollte Übertherapie mit oft fraglichem Nutzen. Eine Hilfe hierfür bietet der APC Notfallbogen, herausgegeben vom Zentrum für angewandte Ethik. In diesem Notfallbogen sind alle möglichen Beatmungs- und Intensivverfahren aufgelistet, für die sich der Patient vorher entscheiden kann. Dies ist dann eine klare und eindeutige Entscheidung für eine Behandlungsoption, von maximal bis minimal, je nach Patientenwille. Der Notfallbogen steht unter www.ethikzentrum.de zum Download bereit.

Herr Dr. med. Kämmerling, Ludger

Dr. med. Ludger Kämmerling

Chefarzt

Telefon: 04961 93-1351
anaesthesie@hospital-papenburg.de

Facharzt für Anästhesiologie
Zusatzbezeichnung Intensivmedizin
Zusatzbezeichnung Notfallmedizin
Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie


 

 

 
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