19.01.2020

Entwicklungsstörungen bei (Klein-) Kindern

Durch die Nutzung digitaler Medien

von Prof. Dr. med. Andrea Caby, Leiterin des Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) im Marien Hospital Papenburg Aschendorf

Elektronische Medien wie Smartphones oder Tablets sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie erleichtern uns den Zugang zu Informationen oder die Dokumentation von Daten, liefern uns Unterhaltung, flexible Einkaufsmöglichkeiten und vieles mehr. Ein Großteil der Schülerinnen und Schüler besitzt ebenso wie die meisten Erwachsenen mindestens ein eigenes Handy, der Einsatz in Freizeit und Schule / Beruf ist heute selbstverständlich geworden.

Chancen und Risiken

Immer häufiger geraten elektronische Geräte auch in die Hände von Kleinkindern, deren Eltern wie viele andere Menschen auch diese nutzen und entsprechend die kindliche Neugier darauf wecken. Eine Spiele-App kann mit ihren bunten Bildern und Geräuschen bereits sehr junge Kinder faszinieren und beschäftigen. Elektronische Kinderbücher- oder Apps ermöglichen den flexiblen Zugang zu Lern- und Spiel-material an unzähligen Orten und in einer Vielzahl von Alltagssituationen.

Aktuelle Daten belegen, dass bereits siebzig Prozent der Kindergarten-Kinder das Smartphone ihrer Eltern mehr als eine halbe Stunde täglich nutzen. Zwei Drittel aller Kinder zwischen zwei und fünf Jahren schaffen es höchstens zwei Stunden lang, ohne Digitalgerät zu spielen. Doch was bedeutet dies für Mädchen und Jungen, die sich noch in ihrer Entwicklung befinden? Wir wissen heute, dass digitale Medien ein großes Potenzial für eine wünschenswerte (Gesundheits-) Bildung und Gesundheitsförderung haben. Man kann über YouTube-Videos lernen, sich im Netz über gesunde Rezepte und deren Zubereitung informieren oder mit Freunden und Verwandten Kontakt halten.

Gleichzeitig ist der Einsatz dieser Geräte bei unkontrollierter und exzessiver Nutzung von Kindern mit möglichen Gesundheitsrisiken verbunden. Bei älteren Kindern und Jugendlichen haben Hinweise geliefert, dass der Medienkonsum eine Gefahr für Bewegungsmangel und Fehlernährung birgt. Der regelmäßige Einsatz elektronischer Geräte scheint auch mit einem höheren Konsum zuckerhaltiger Getränke oder Süßigkeiten verbunden zu sein und kann so das Risiko für Übergewicht im Kindes- und Jugendalter erhöhen.

Auffälliges Verhalten

Kinder bis zum sechsten Lebensjahr, die intensiv Zeit mit digitalen Medien verbringen – also mehr als dreißig Minuten am Tag –, haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und können in der Sprachentwicklung zurückliegen. Häufig fallen sie eher mit hyperaktivem Verhalten auf.
Säuglinge können Fütter- oder Einschlafprobleme entwickeln, wenn die Eltern während der Betreuung parallel digitale Medien nutzen. Diese Beobachtungen werden auch als Hinweis auf eine mögliche beginnende Bindungsstörung gewertet. Solange Eltern die neuen Technologien als willkommene Ergänzung zu klassischen Unterhaltungsmedien in den Familienalltag integrieren, werden Möglichkeiten für Kinder erweitert und neue Bildungschancen geschaffen. Väter, die kaum aus Büchern vorlesen, sind offener für das Vorlesen mit Hilfe von Apps. Kinderbuch-Klassiker können in der App-Form nah am Original bleiben und gleichzeitig durch mehrsprachige Anwendungen überzeugen. Damit faszinieren elektronische Erzählformen gleichermaßen Junge und Ältere, die rasante technische Entwicklung lässt Raum für Animationen und viel Interaktivität.

Regeln zur Nutzung aufstellen

Die Herausforderung ist hier -wie bei vielen anderen Themen- das gesunde Maß zu finden und den Kindern beide Welten zu eröffnen. Eltern sollten vor allem im Austausch mit ihren Kindern diese Welten erkunden und gemeinsam Zeiten mit App und / oder Buch gestalten. Und so könnten auch Zeitfenster für beide Varianten geschaffen und als bedeutsam verankert werden. Jeder sollte allerdings sein eigenes Medienkonsumverhalten regelmäßig überdenken, Familien sollten hierzu ihre Regeln aufstellen. Wenn Erwachsene einen behutsamen und phasenweise durchaus enthaltsamen Umgang mit den digitalen Medien demonstrieren, haben Kinder eine Chance diesen auch schätzen zu lernen.

Wissenschaftliche Belege für eine generell nachteilige Auswirkung der häufigen Nutzung digitaler Medien auf kindliches Verhalten und Entwicklung finden sich bisher nicht. Eine intensive elterliche Mediennutzung kann jedoch im Zusammenhang mit einem suboptimalen Eltern-Kind-Miteinander stehen und möglicherweise zu mehr Verhaltensproblemen führen.

Nah- und Fernsicht gefährdet

Auch die Augenärzte schlagen in den letzten Jahren zunehmend Alarm aufgrund des deutlichen Anstiegs an Menschen mit Kurzsichtigkeit. Diese wird auf einen frühen Gebrauch von Smartphones / Tablets / PCs in Verbindung mit weniger Zeit im Freien zurückgeführt. Vermutet werden gerade bei jungen Kindern Probleme bei der Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens sowie beim Wechsel zwischen Nah- und Fernsicht. Aus medizinischer Sicht ist ein elektronischer Medienkonsum daher für Kleinkinder bis zu einem Alter von drei Jahren gar nicht zu empfehlen, im Alter von vier bis sechs Jahren maximal eine halbe Stunde pro Tag.

Frau Prof. Dr. med. Caby, Andrea

Prof. Dr. med. Andrea Caby

Leitende Ärztin

Telefon: 04961 93-1384 | Fax: 04961 93-1459
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Professorin für Sozialpädiatrie/Sozialmedizin
Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde
Schwerpunkt Psychotherapie


 

 

 

 
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